23. Dezember 2012

VORWORT | DIE SEITE | DAS BETT | DAS SCHLAFZIMMER | DIE WOHNUNG


Türen | Treppen | Wände


Für mich sind Georges Perecs Texte eine dichte Beschreibung von Einzelheiten der uns umgebenden Wirklichkeiten. Die Wirklichkeiten, in denen wir uns bewegen, sind an Personen, Orte und Zeitpunkte geknüpft. Sie (Die Wirklichkeiten) sind persönliche Wirklichkeiten - Alltäglichkeiten.

Aber sehen wir diese im täglichen Leben - Alltag noch? 
Verengt uns die Organisation unserer Lebensbasis nicht den Blick dafür?

Eine minutiöse Beschreibung dieser Fragestellung, d.h. der Wahrnehmung der Orte an denen wir uns befinden und der Zeiten in denen wir agieren, findet sich in Georges Perec Werk Träume von Räumen.
„Leben heißt, von einem Raum zum anderen gehen.“
Die Wohnung, das Mietshaus, die Straße sind Orte, die wir jeden Tag durchqueren, in bestimmten Reihenfolgen nach bestimmten Zwecken gestaffelt. Im allgemeinen würde Mensch sagen, wir bewohnen diese Orte. Ich bewohne. Ich bereite mich in meiner Wohnung auf den Tag vor. Ich wasche mein Gesicht. Ich ordne die Kleidung und kämme das Haar. Ich trete in den Flur des Mietshauses, binde meine Schuhe, trete auf die Straße und eile durch die Stadt.
„Man hat noch nichts betrachtet, man hat nur das bemerkt, was man seit langem schon bemerkt hatte.“
Diese Gewohnheiten (das Bewohnen), welche an der vorgegebenen „natürlichen Ordnung“ des Raumes keinen Zweifel aufkommen lassen, hinterfragt Perec.
„... einen Weg finden, bei dem man Paris […] durchqueren kann und dabei nur durch Straßen kommt, die mit dem Buchstaben C anfangen.“
Also nicht gewohnheitsmäßig durch die Stadt eilen, sondern neue Gewohnheiten in Gedanken durchspielen. Natürlich haben auch diese eine Systematik. Das gehen auf Straßen die mit dem Buchstaben C beginnen, ist systematisch. Aber sie eröffnen demjenigen, der sich auf dieses Gedankenspiel einlässt, neue Perspektiven und neue (Lebens-)Räume.
Diese Perspektive oder dieser Raum kann auch mit einem leeren Blatt Papier beginnen. Dass „durchqueren“, das physische oder gedankliche Gehen (beweglich sein), wird Synonym mit der Kulturtechnik des Schreibens. Wird nicht auch hier, durch das Festhalten von Ideen mittels Zeichen der Raum abgesteckt? Ich würde sagen Ja! Denn alle aufgezählten Techniken dienen mir dazu, mich im Raum zu orientieren, in ihm zu leben und zu Handeln. So hat es Perec vollbracht, zumindest meine Wahrnehmung auf den Stadt- und Wohnraum zu verändern. Weg von Gegebenheiten hin zu der

„Wahrnehmung [...] einer Geografie, von der wir vergessen haben, dass wir ihr Schöpfer sind.“
*

Sandra Schieke 

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Frau Schieke,

ein sehr schöner Text, der das Wesen des Buchs gut zusammenfasst.

Robert

Sabrina Schieke hat gesagt…

Lieber Robert,

Danke für ihren Kommentar. Es freut mich immer eine Reaktion auf veröffentlichte Texte zu bekommen.